Vergütung für Ehrenamtliche in der häuslichen Pflege: “Wir machen es wie beim Fußball”
Notiert von jor ~ 28. Februar 2014 ~
Geschulte Rentner, die eine Aufwandsentschädigung erhalten, ähnlich der steuerfreien Übungsleiterpauschale beim Fußball, sollen zukünftig nach den Vorstellungen des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten und Bevollmächtigten für Pflege, Karl Laumann, unter anderem auch stellvertretender Landesvorsitzender der CDU NRW, ein niedrigschwelliges, ortsbezogenes Angebot in der ambulanten Altenpflege gewährleisten.1
Die wirklich großen Probleme kommen erst in 20 Jahren auf uns zu. Im Moment geht es nur um die geburtenschwachen Jahrgänge aus den Kriegsjahren. Aber richtig schwierig wird es, wenn die Babyboomer-Generation aus den Jahrgängen zwischen 1950 und 1970 ins hohe Alter kommt und pflegebedürftig wird. Darauf müssen wir uns vorbereiten.
Wir müssen vor allem den Angehörigen helfen. … Ich möchte, dass die pflegenden Familien fachlich gute, aber auch menschliche und bezahlbare Hilfe zur Entlastung bekommen. Ein Baustein können hier sicher Ehrenamtliche sein, zum Beispiel geschulte Rentner, die eine Aufwandsentschädigung erhalten, ähnlich der steuerfreien Übungsleiterpauschale beim Fußball. So entsteht ein niedrigschwelliges, ortsbezogenes Angebot.
Dieser Vorstoß ist einer von weiteren, mit denen Laumann die Vorstellung, zukünftig sollten Renter_innen die Familien bei der häuslichen Pflege entlasten2, seit dem Winter immer wieder gezielt3 in die öffentliche Diskussion bringt. Um die Rentner_innen dazu zu bewegen, setzt er auf steuerliche und weitere monetäre Anreize:
Warum soll nicht ein Rentner mit kleiner Rente4 nebenbei 100 Euro im Monat verdienen, wenn er mit der Pflegeperson Spaziergänge macht?5
Dabei verwischt Laumann argumentativ gelegentlich völlig die Grenzen zwischen ehrenamtlichen Tätigkeiten und geringfügigen Beschäftigungen, ob absichtsvoll, sei dahingestellt. So zum Beispiel bei der Vorstellung seines Konzepts, Rentner_innen gezielt als Demenzbetreuer einzusetzen. Denn das sei notwendig, weil bundesweit 50.000 Pflegekräfte fehlten und auch nicht beschafft werden könnten:
Zwei Drittel der Pflegefälle werden daheim betreut, deshalb hält es der Pflegebeauftragte für sinnvoll, Familien zusätzliche niederschwellige Angebote zu machen. Mit dem Geld aus der Pflegeversicherung könnten Familie die Helfer bezahlen, sagte Laumann. „Mit professionellen Pflegekräften ist das nicht möglich – außerdem gibt es gar nicht so viele.“5
Zusammengefasst hat er die Vorstellungen dann nochmal in einem Gespräch mit dem Magazin des Verbandes der Ersatzkassen: Die Familien würden zwar kleiner, aber wir müssen eine starke Beteiligung der häuslichen Pflege erhalten. Dafür seien jedoch niederschwellige Angebote erforderlich, wobei besonders die Kommunen mit den kleinen Lebenskreisen angefragt seien; und ermöglichen sollte dies eine steuerrechtliche Regelung analog der Übungsleiterpauschale.
So etwas kann ich mir auch in der Pflege vorstellen. Warum soll man nicht einen Rentner schulen, wie man mit an Demenz erkrankten Menschen umgeht, sodass er dann ein Mal in der Woche die Begleitung übernimmt und pflegende Angehörige entlastet, dafür aber auch ein paar Euro in der Stunde bekommt? Das ist zwar keine Bezahlung in dem Sinne, aber schon eine Anerkennung.7
DISKUSSION
SIEHE AUCH
Fußballtrainer für die Pflege↵ In: Mein Pflegeportal Blog. Willkommen in der Welt der Angehörigenpflege, 26.02.2014 | abgeordnetenwatch.de↵, 17.06.2014 | Pflege und Ehrenamt. Pflegen wie die Weltmeister?↵ In: Focus Online, 29.06.2014 | Koalition will Pflege-WGs stärken – Kritik an ‘billigen’ Helfern. In: faz.net, 15.10.20148
Aktueller Stand: 20.10.2014
- Vgl. Kade, Claudia, 2014: Nachbarschaftshilfe. Fußballtrainer-Prinzip soll die Pflege retten.↵ In: Die Welt, 26.02. ↩
- Vgl. Rentner sollen Familien künftig bei der häuslichen Pflege entlasten.↵ In: WAZ, 16.03.2014 ↩
- Auf die Frage des Magazins des Verbandes der Ersatzkassen: Welche Einflussmöglichkeiten haben Sie generell auf Gesetzgebungsprozesse oder anstehende Entscheidungen im Gesundheitswesen? antwortete Laumann im April: Die Einflussmöglichkeiten sind optimal, aber das hängt auch damit zusammen, dass ich politisch gut vernetzt bin. Einfluss muss man sich immer erkämpfen. Die rechtliche Grundlage und der Kabinettsbeschluss versehen mich mit bestimmten Rechten, in der Pflege und bei Patientenrechten kann nichts an mir vorbeilaufen. Entscheidend ist vor allem, Einfluss auf die politische Willensbildung zu nehmen. In meinem Amt geht es nicht nur darum, Themen in der Öffentlichkeit zu besetzen, sondern auch Themen, die anliegen oder aus der Sicht des Amtes sowie aus Gesprächen heraus erwachsen, in die Gesetzgebung mit einfließen zu lassen. Zit. www.vdek.com/magazin↵, 16.04.2014 ↩
- Der Bezug auf den sprichwörtlich Kleinen Mann ist überhaupt nicht zufällig sondern strategisch: Vgl. zum Kontext: Volksparteien – Wo bleibt der kleine Mann?↵ In: www.zukunftvolkspartei.de, 31.08.2012 (Ein Blog aus der Konrad-Adenauer-Stiftung) ↩
- Vgl. a.a.O.↵ ↩
- Vgl. a.a.O.↵ ↩
- Vgl. a.a.O.↵ ↩
- Wirbel hatte der bereits vorgesehene Plan verursacht, bestimmte niedrigschwellige Angebote zu schaffen. So sollen Mittel für professionelle ambulante Dienste künftig auch verstärkt etwa für Einkaufshilfen, Helfer für Botengänge oder Betreuung benutzt werden dürfen. Der Betrag hierfür soll nun aber statt bis zu 50 nur bis zu 40 Prozent der Mittel für ambulante Pflegesachleistungen ausmachen dürfen. Zudem sollen später Erfahrungen damit ausgewertet werden. Gegen diese Pläne protestieren die Träger dennoch heftig. “Hier entstehen völlig unkontrollierte Angebote, die sich keinerlei Qualitätsanforderungen unterwerfen müssen”, sagte der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, der dpa. Angehörige würden vermehrt zur “Billigversion” von Pflege greifen – neue prekäre Jobs entstünden. Der Sozialverband Deutschland hielt dem entgegen, die Pläne würden die häusliche Versorgung verbessern und manchmal überhaupt erst ermöglichen. ↩