ver.di: Gewerkschaftsnahe Jugendbildung war und ist Ehrenamt: Keine reguläre Arbeit
Notiert von jor ~ 22. August 2014 ~
Ein Arbeitskonflikt im Verein ver.di Jugendbildungsstätte Berlin-Konradshöhe e.V. führt mitten hinein in die aktuellen Grauzonen freiwilligen und ehrenamtliche Engagements einerseits und die Auflösung von Normal-Arbeitsverhältnissen↵ nicht nur im Feld der außerschulischen Bildung andererseits.
Der Konflikt entwickelt sich offenbar rasant, liest man die öffentlichen Erklärungen, zu einem instruktiven Lehrstück über Entgrenzungen sogenannt Freiwilligen Engagements gegenüber den Bereichen atypischer Beschäftigungsverhältnisse↵1 und unbezahlter Arbeit↵ – nicht nur (aber auch) vermittelt durch projekt- und zeitbefristete Zuwendungsfinanzierungen.
Den letzten Beitrag in dem Konflikt lieferte jetzt Andreas Köhn, für Tarif‑, Medien- und Kulturpolitik zuständiger Fachbereichsleiter der Gewerkschaft ver.di in Berlin-Brandenburg, in einem Leserinnenbrief an die taz, dort nicht konkret2, dafür aber grundsätzlich und gewerkschaftliche Positionierungen notierendswert erhellend zum Thema:
“… halten wir allgemein fest: Die Bildungsstätte ist gewerkschaftsnah insofern, als dort auch Seminare der Jugendbildung mit gewerkschaftspolitischen Inhalten angeboten werden. Diese Tradition gewerkschaftspolitischer Bildungsarbeit war und ist innerhalb von ver.di nie verstanden worden als reguläre Lohnarbeit, geschweige denn als Mittel, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Vielmehr lebt diese Form gewerkschaftspolitischer Bildungsarbeit, die von haupt- oder ehrenamtlichen ver.di-Mitgliedern getragen wird, vom ehrenamtlichen Engagement jedes Einzelnen, wie dies auch vergleichbar in anderen Vereinen geleistet wird. Die Bezahlung für solch ein Engagement wurde und wird innerhalb von ver.di deshalb verstanden als eine Form der Aufwandsentschädigung.”
Anlass für diese in vieler Hinsicht bemerkenswerte aber langjährige Kenner gewerkschaftlicher Arbeit nicht wirklich überraschen könnende – vorsichtig ausgedrückt – ambivalente und rein deklaratorische Positionsbestimmung hinsichtlich atypischer Arbeitsverhältnisse3 war ein Artikel in der taz vom 12.08.: Massenkündigung bei Ver.di. Den Seminarleitern der Ver.di-Jugendbildungsstätte Konradshöhe in Berlin wurde gekündigt.↵
Geschäftsführung und Vorstand der ver.di Jugendbildungsstätte Berlin-Konradshöhe e.V. bedauerten daraufhin die fehlerhafte Berichterstattung↵ durch die taz und erklärten ansonsten, man habe ja niemanden entlassen: Die als Freie Mitarbeiter tätigen Seminarleiter_innen der Jugendbildungsstätte, also Köhn zufolge die nicht in regulärer Lohnarbeit befindlichen, die hätten sich eben entschieden, zu den vom Verein gesetzten Bedingungen nicht mehr zu arbeiten.4
Die offenbar mit dieser sogenannt ehrenamtlichen Tradition gewerkschaftspolitischer Bildungsarbeit – trotz teilweise langjähriger Arbeit im Hause – unvertrauten, in ihrem Verständnis beruflich tätigen Seminarleiter_innen veröffentlichten in wohl ebenso mißverstandener Arbeitnehmer_innen-Solidarität ihrerseits eine Presseerklärung: 17 auf einen Streich: Gewerkschaftsnahes Bildungshaus kündigt gesamtem Hausteam das Arbeitsverhältnis auf↵ und starteten überdies noch eine öffentliche Unterstützung heischende openPetition↵.
Soweit die Hinweise zum Thema und Informationen zum Vorgang auf den Punkt; ein eingehenderer Blick unter engagementpolitischem Gesichtspunkt auf das sich hier entfaltende Lehrstück dann zu gegebener Zeit und an anderem Ort.
Aktualisiert: 02.09.2014
- Zum im Dritten oder Nonprofit-Sektor besonders ausgeprägten Trend zu solchen Beschäftigungsverhältnissen aktuell die Studie: Priller, Eckhard, 2014: Von der Jobmaschine Dritter Sektor zum Billiglohnsektor?↵ In: Annette E. Zimmer u.a. (Hrsg.): Forschung zu Zivilgesellschaft, NPOs und Engagement. Quo vadis? Wiesbaden, 97–114 ↩
- “Zu den genauen Details des Konflikts können wir als ver.di keine Stellung nehmen. Denn die Jugendbildungsstätte Berlin-Konradshöhe e. V. ist ein gemeinnütziger, eingetragener Verein, der sein operatives Geschäft unabhängig von ver.di gestaltet.” – zit. taz↵, 22.08.2014 ↩
- Auch in dieser Hinsicht lohnt die Lektüre des ganzen Leserinnenbriefes, vgl. a.a.0. ↩
- Vgl. auf www.verdi-bildungsstaette.de: Zum Taz-Bericht vom 13.08.2014.↵ ↩